Kaffee hat in den letzten Jahren einen gehörigen Imagewandel vollzogen. War er noch bis vor einiger Zeit das erste was gestrichen wurde, wenn es um Gesundheitsförderung ging, hat sich der Wind mittlerweile gedreht. Moderatem Kaffeekonsum werden zunehmend positive Eigenschaften zugesprochen.
Große epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Kaffeekonsum sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit einer verringerten totalen und ursachenspezifischen Mortalität korreliert ist. Der Konsum von Kaffee wird nun mit einer Reduktion von Krebs, Herzerkrankungen, Atemwegserkrankungen, Schlaganfällen, Diabetes und Infektionen (sowohl bei Männern als auch bei Frauen) in Verbindung gebracht.1)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/201818142)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3267522/3)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17023692 Diese Effekte sind dosisabhängig (bei bis zu 6 Tassen pro Tag) und hängen offenbar nicht immer oder vielleicht gar nicht vom Koffeingehalt ab. Sowohl entkoffeinierter als auch koffeinierter Kaffee werden in ähnlicher Weise mit einer verbesserten Gesundheit assoziiert.4)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3439152/5)https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17023692
In ähnlicher Weise, wie sich der Kaffee von seinem ehemals negativen Image befreien konnte, dürfte es sich nun auch mit einer fettreichen (ketogenen) Ernährung verhalten. Früher geradezu verpönt, heute gepriesen, und morgen wird es vielleicht wieder anders sein. Was liegt da näher, als die Auswirkungen des Kaffees auf eine ketogene Ernährung zu untersuchen? Nützt Kaffee der ketogenen Ernährung, oder bremst er sie aus? Dazu haben kanadische Wissenschaftler einen Test an ProbandInnen mit Koffeintabletten durchgeführt.
Das Positive: Koffein kann die Ketonwerte erhöhen
In einer Studie6)Zufuhr von Koffein erhöht Plasma-Ketone: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28177691, die 2016 im Canadian Journal of Physiology and Pharmacology veröffentlicht wurde, wurde festgestellt, dass Koffein die Ketonwerte im Blutplasma erhöht.
10 Erwachsenen (8 Frauen, 2 Männer) erhielten, nachdem Sie jeweils 12 Stunden lang (inklusive Nachtschlaf) gefastet hatten, zwei verschiedene Mengen Koffein verabreicht. Gemeinsam mit dem Koffein (in Form von Koffeintabletten) erhielten sie ein Frühstück mit 85g Kohlenhydraten, 9,5g Fett und 14g Protein (zwei Scheiben Toast mit Himbeermarmelade, ein Stück Käse, Apfelmus und 100 ml Saft).
Die 10 ProbandInnen durchliefen jeweils drei Testrunden:
(1) Frühstück ohne Koffein
(2) Frühstück mit einem Koffeingehalt, der rund eineinhalb Tassen normalem Kaffee entsprach (2,5g Koffein/kg Körpergewicht)
(3) Frühstück mit einem drei Tassen Kaffee entsprechenden Koffeingehalt (5g-Koffein/kg)
Nach 4 Stunden maß man im Blut der Probanden eine extreme Erhöhung der Ketonwerte, wenn sie Koffein zu sich genommen hatten. Nämlich eine Steigerung von 88% (bei 2,5mg Koffein/kg) und von 116% (5,0 mg Koffein/kg) im Vergleich zu den Frühstücken ohne Koffein.
Die Forscher stellten zudem fest, dass der Gehalt an Ketonen (in Form von 3-HB, nicht aber in Form von AcAc) im Blut 4 Stunden nach dem Frühstück mit 5g Koffein/kg, etwa doppelt so hoch war wie nach dem Fasten über Nacht!
Dies ist umso erstaunlicher, als das Frühstück ja einen hohen Kohlehydratanteil aufwies, und damit kaum, oder eigentlich gar keinen, ketogenen Charakter hatte. Scheint es da nicht naheliegend, dass der Kaffeekonsum bei einer “richtigen” ketogenen Ernährung, die Ketonkörperproduktion noch wesentlich mehr ankurbelt?
Die Studie fügt sich gut ins Bild anderer positiver Forschungsergebnisse zum Kaffee. Schon länger ist bekannt, dass Kaffeekonsum auch mit einer Senkung des Risikos an Diabetes II zu erkranken, korreliert.
In einer Meta-Analyse von 26 Studien7)Coffee and caffeine intake and incidence of type 2 diabetes mellitus: a meta-analysis of prospective studies: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24150256 , die eine Auswertung von Einzelstudien mit insgesamt über einer Million Menschen umfasste, wurde festgestellt, dass bei einem täglichen Konsum von 2 Tassen koffeinhaltigen Kaffees, das Risiko, an Diabetes zu erkranken, um 12% reduziert wird.
Andere Studien8)Caffeinated and Decaffeinated Coffee Consumption and Risk of Type 2 Diabetes: A Systematic Review and a Dose-Response Meta-analysis: http://care.diabetesjournals.org/content/37/2/569.full weisen darauf hin, dass es nicht einmal des Koffeins bedarf, sondern auch koffeinfreier Kaffee selbst dazu beitragen kann, das Typ-2-Diabetes zu verringern, was darauf hinzudeuten scheint, dass die übrigen Wirkstoffe im Kaffee (zB Polyphenole) gesundheitsförderlich sind.
Das Negative: Koffein und Blutzucker?
Das große ABER: Das Kaffee-Insulin-Paradox: Obwohl zahlreiche Studien belegen, dass der Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko senkt (oder zumindest nicht erhöht), haben andere Studien gezeigt, dass Koffein sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Menschen mit Diabetes oder Prädiabetes den Blutzucker- und Insulinspiegel in die Höhe treibt!9)Caffeinated coffee consumption impairs blood glucose homeostasis in response to high and low glycemic index meals in healthy men: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18469247
Anders als beim Diabetes-Risiko (das anscheinend auch mit koffeinfreien Kaffee gesenkt werden kann), scheint dieser Effekt vorwiegend auf das Koffein zurückzuführen zu sein. Bei entkoffeinierten Kaffee zeigt sich nämlich keine Erhöhung des Blutzuckerspiegels.
Oder doch nur alles eine Frage der Gewöhnung? Eine andere Studie wiederum ergab, dass der Blutzucker- und Insulinspiegel nicht anstieg, wenn gewohnheitsmäßige Kaffeetrinker ihren täglichen Kaffeekonsum in 16 Wochen auf 5 Tassen koffeinhaltigen Kaffees erhöht hatten. Tatsächlich hielt sich dann ihr Blutzuckerspiegel niedriger als bei jenen Gruppen, die entkoffeinierten Kaffee oder überhaupt kein Kaffee tranken.
Dies deutet darauf hin, dass sich die Blutzucker- und Insulinreaktion nach der Anpassung an die Koffeinwirkung im Laufe der Zeit möglicherweise sogar gegenüber dem Ausgangswert verbessern kann.
Was folgern wir daraus? Nun ja, offensichtlich ist es so, dass Koffein die Ketonwerte im Blut maßgeblich erhöhen kann, was für die von vielen gewünschte erhöhte Fettverbrennung förderlich sein könnte. Kombiniert mit einer ketogenen Diät – keine der zuvor erwähnten Studien hat die Auswirkungen von Koffein auf eine ketogene Diät untersucht – könnte dies vielleicht mit zweckmäßigen größeren Synergieeffekten verbunden sein. In dieselbe Richtung scheint ja auch der zuletzt sehr gehypte Bulletproof-Kaffee abzuzielen, den man übrigens leicht selbst machen kann. Kaffee und ein bisschen Kokosöl rein – fertig!
Dabei könnte vielleicht auch der Preis der koffeinbedingten kurzfristigen Erhöhung der Blutzuckerwerte in Kauf genommen werden. Denn die Frage ist, ob die plötzlichen Erhöhungen des Blutzuckerspiegels nach Kaffeekonsum, die sich ohnedies schon nach kürzerer Zeit wieder runterpendeln dürften, wirklich ins Gewicht fallen, wenn im Gegenzug für einen wesentlich längeren Zeitraum von einigen Stunden die Ketonkörperproduktion maßgeblich angekurbelt wird? Könnten wir nicht die kurzfristige Erhöhung des Blutzuckers nützen, um eine Aufgabe zu erledigen, die uns kurzfristig viel Energie abverlangt sei es ein bisschen Jogging im Park, oder die Wohnung zu putzen? Um danach gemütlich in die Ketose zu fallen?
Quellenverzeichnis
↑1 | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20181814 |
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↑2 | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3267522/ |
↑3, ↑5 | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17023692 |
↑4 | https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3439152/ |
↑6 | Zufuhr von Koffein erhöht Plasma-Ketone: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28177691 |
↑7 | Coffee and caffeine intake and incidence of type 2 diabetes mellitus: a meta-analysis of prospective studies: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24150256 |
↑8 | Caffeinated and Decaffeinated Coffee Consumption and Risk of Type 2 Diabetes: A Systematic Review and a Dose-Response Meta-analysis: http://care.diabetesjournals.org/content/37/2/569.full |
↑9 | Caffeinated coffee consumption impairs blood glucose homeostasis in response to high and low glycemic index meals in healthy men: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18469247 |
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