Man bekommt es oft zu hören: Atme tief und bring das Kohlendioxid aus deinem Körper und alles wird gut! Denn – so die dahinter liegende Logik – je tiefer die Atmung, desto besser wäre der Körper mit Sauerstoff versorgt.
Es soll gar nicht bestritten werden, dass eine bewusste Überatmung oder eine bewusste vertiefte Atmung eine Reihe von Vorteilen bieten kann, und für viele Anwendungsgebiete durchaus zweckmäßig sein kann. Anhänger der Methoden, die der Niederländer Wim Hof (Ice Man) populär gemacht hat, schwören geradezu darauf und es dürfte zahlreiche Menschen geben, für die diese Praktiken äußerst hilfreich waren oder sind. Zu einer besseren Sauerstoffversorgung der Organe führt die Überatmung aber in der Regel nicht. Im Gegenteil: Bei einer heftigen Überatmung verengen sich die Blutgefäße und schnüren die Organe geradezu von der Sauerstoffzufuhr ab.
Man muss gegen eine bewusst eingesetzte vertiefte Atmung oder Hyperventilation nicht grundsätzlich Einwände erheben, es drängt sich nur die Frage auf, ob nicht manche Menschen tendenziell unbewusst und dauerhaft zu viel atmen, oder sich unnötiger Weise eine chronische Überatmung geradezu antrainieren.
Zuviel Atmung – zuwenig Sauerstoff im Kopf?
Paradoxerweise führt nämlich ein Übermaß an Atmung zu einer chronischen Mangelversorgung mit Sauerstoff auf zellulärer Ebene. Das ist deswegen so, weil das Atemprodukt Kohlendioxid nicht einfach nutzloser Müll ist, sondern ein Regelinstrument ist, das dem Körper anzeigt, wie Sauerstoff auf zellulärer Ebene benötigt wird. CO2 sorgt u.a auch für die Weitstellung der glatten Muskulatur und unter anderem auch der Blutgefäße im Gehirn. Atmet man zuviel Kohlendioxid ab, ist es aus mit der ausreichenden Sauerstoffversorgung im Köpfchen, wie dieses Bild sehr eindrucksvoll zeigt.
Übrigens ohne CO2 würden wir sogar auf die Einatmung vergessen. Es ist nicht eine geringe Sauerstoffkonzentration im Blut, die dafür sorgt, dass der Atemreflex einsetzt, sondern der CO2-Gehalt. Je mehr der Kohlendioxidgehalt zunimmt, desto stärker wird der Drang zur Einatmung. Diese Schwelle kann durch durch Training hinausgezögert werden, wovon Freitaucher, die ihre CO2 Schwelle in die Höhe trainieren, viel berichten können. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Freitaucher ihre bemerkenswerten Leistungen zumeist nicht durch Hyperventilation erreichen, sondern durch ein Trainieren der Kohlendioxid-Toleranz und der Luftaufnahmekapazität.
Viele Menschen sind durch eine falsche Atemtechnik oder gar bewusste (aber falsche) Atemerziehung dazu übergegangen, regelmäßig zu wenig Kohlendioxid im Blut zu haben, weil sie chronisch zu viel, oder zu tief atmen und dem gegenüber zu wenig Bewegung oder sonstige Anstrengung steht.
Um dies wieder auszugleichen, kann es sinnvoll sein, die Atemreduktion zu trainieren, und das Kohlendioxid als etwas zu betrachten, was es ist, nämlich der notwendige Partner des eingeatmeten Sauerstoffs, der dem Sauerstoff erst dazu verhilft in den Organen anzukommen.
Buteyko
Der ukrainische Arzt Konrad Buteyko (1923-2003), war einer der Ersten, der sich seit den 1950er Jahren mit den Auswirkungen der chronischen Überatmung, oder Hyperventilation beschäftigt hatte. Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts war bekannt, dass sich bei akuter Überatmung die CO2 Konzentration im Blut vermindert und sich dadurch die Sauerstoffversorgung im Gewebe verschlechtert. Buteyko begann nach seinem Medizinstudium in der Sowjetunion systematisch den Kohlendioxid-Status seiner Patienten zu messen und stellte dabei fest, dass nicht nur die meisten seiner kranken Patienten unbewusst chronisch hyperventilierten, sondern er selbst dies auch tat. In der Folge entwickelte er Methoden, bei denen man mit simplen Mitteln feststellen konnte, ob ein Mensch hyperventilierte und Übungen, die einem wieder zu einem idealen Atem verhelfen sollte.
Sparsame Atmung
Um die Buteyko-Methode zu erklären, gibt es bessere und detailliertere Seiten als diese. Im Prinzip läuft das Programm darauf hinaus, eine sanfte und sparsame zu Atmung zu erlernen und dabei die CO2 Reflexe, die für die Einatmung sorgen, wieder auf das richtige Maß zu bringen, das heißt wieder eine größere CO2 Toleranz zu entwickeln. (Siehe dazu auch unten auszugsweise ein Trainingsansatz). Ein ausreichender CO2 Status beruhigt und sorgt, auch wenn es paradox klingt, für eine bessere Durchblutung aller Organe, insbesondere auch des Gehirns. Bei vielen Yoga-Übungen scheint aber das Gegenteil beworben zu werden. Kohlendioxid ist aber nicht der Feind, der im Übermaß abgearbeitet werden muss. Das wäre genauso absurd, wie zu behaupten, dass Sauerstoff der Feind wäre. Die beiden können ohne einander nicht.
Atmung durch die Nase
Ein erster, einfacher Schritt, zu einer vernünftigen Atmung wäre es, ausschließlich durch die Nase zu atmen. Allein durch diese Maßnahme wird die Überatmung gelindert und die Sauerstoffaufnahme in den Organen verbessert. Zudem zeigen Studien, dass bei der Nasenatmung in den Sinushöhlen NO (Stickstoffoxid) gebildet wird. NO ist neben CO2 einer der wichtigsten Vasodilatoren (Gefäßerweiterer).
Training nach Buteyko – Effekte wie bei einem Höhentraining
Um die CO2-Toleranz wieder anzuheben und zu normalisieren, könnte das Training so aussehen.
- Sanftes gewöhnliches Ein- und Ausatmen
- Nachdem Ausatmen die Nase mit den Fingern zuhalten
- Atem anhalten, solange wie möglich. Dabei zur geistigen Ablenkung mit dem Kopf hin- und herschwingen oder nicken.
- Nase wieder loslassen und die Atmung wieder aufnehmen.
- Möglichst bald wieder eine ruhige Atmung aufnehmen.
- Eine halbe bis eine Minute warten und die Prozedur wieder aufnehmen. 6 mal wiederholen.
Wie man sich denken kann, zeitigt dieses Training ähnliche Effekte, wie ein Höhentraining. Man spart sich aber die Kosten für die Anfahrt und den Urlaub.
Die Nieren produzieren mehr EPO, das die Blutbildung anregt. Die Milz entlässt mehr rote Blutkörperchen ins Blut und der Hämatokritwert (Anteil der roten Blutkörperchen) steigt.
Hämoglobin wird vermehrt gebildet. Und das alles nach ein bisschen Luftanhalten nachdem Ausatmen.
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